Dienst am Nächsten

Ein Grund zum feiern: 20 Jahre Hospizkreis Ottobrunn e.V.
Rund 250 Personen werden pro Jahr von den ehrenamtlichen Helfern des Hospizkreises Ottobrunn e.V. betreut, etwa 140 davon sterben im Laufe diesen Jahre. Das bedeutet häufig Abchied zu nehmen, aber auch den Wert des Lebens für sich neu zu entdecken.

Willi Klein, Erika Aulenbach, Gerhrad Juse, Ursula Mayer, Norbert Büker

„Im Angesicht des Todes verlieren Banalitäten ihre Bedeutung, und was ist schon im Vergleich zum Sterben eines Menschen nicht unwichtig“, fasst der stellvertretende Vorstand Wilhelm Klein seine Erfahrungen zusammen. Ein Fleck auf dem Hemd, ein verregnetes Grillfest oder eine Schramme im Auto, nichts mehr, worüber es sich länger lohnt zu hadern. Auch die To-do-Liste für das eigene Leben erhält neue Priorisierungen, wenn man dem Tod regelmäßig begegnet. Von einem Sterbenden, der bedauert, nicht öfter Rasen gemäht oder die Fenster geputzt zu haben, kann keiner der ehrenamtlichen Helfer berichten. Wohl aber davon, dass Sterbende bedauern nicht genug Zeit mit ihren Lieben verbracht zu haben. Es lohnt sich also, sich mit dem Thema Tod und Sterben auseinander zu setzen, sich dem Tabu-Thema zu stellen. Idealerweise als Hospizhelfer beim Hospizkreis Ottobrunn, der lebt nämlich vom Mitmachen und das nun seit stolzen 20 Jahren. Während andere Vereine mit ihrem Angebot in die Jahre gekommen scheinen, ist der Hospizkreis Ottobrunn im 20. Jahr seines Bestehens zwischen Putzbrunn und Aying bekannter und gefragter denn je.

Ganz wesentlich zum Aufbau des Ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienstes beigetragen hat Helmut Hopmann, der gemeinsam mit anderen engagierten Bürgern die Notwendigkeit eines solchen Dienstes vor zwei Jahrzehnten erkannt hat. Von der Auftaktveranstaltung im Pfarrzentrum St. Albertus Magnus im Februar 2002 mit der Gründung des Hospizkreises Ottobrunn im St. Georg Sozialwerk e.V. über die Gründung eines eigenständigen Vereins Hospizkreis Ottobrunn e.V. im Mai 2005 bis zur aktuellen Vorstandsneuwahl bei der Mitgliederversammlung ist der Hospizkreis kontinuierlich gewachsen. Derzeit betreuen 90 Ehrenamtliche die Patienten, aber auch deren Angehörige. Trauerarbeit ist ein wichtiger Aspekt für den Hospizkreis Ottobrunn, der die Hinterbliebenen auf ihrem Weg zurück in die Normalität begleitet.

Eine Arbeit, auf die die ehrenamtlichen Helfer mit gründlichen Schulungen vorbereitet werden. Themen der Ausbildung sind die Hospizidee, eigene Erfahrungen mit Verlusten, Lebens- und Sterbebegleitung, Kommunikation, Schmerztherapie und Palliativmedizin, Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen – auch über den Tod hinaus, Wahrheit am Krankenbett, Spiritualität und Rituale in der Hospizarbeit. Die Schulungsinhalte des Hospizkreises entsprechen dabei dem Standard des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes. Drei hauptamtliche Koordinatoren sorgen dafür, dass die Anfragen bearbeitet und die passende Begleitung gefunden wird. Wenn sich ein Betroffener oder seine Angehörigen beim Hospizkreis melden, machen die Koordinatoren die Erstbesuche zuhause oder in den Alten- und Pflegeheimen. Denn in den teilnehmenden Einrichtungen des Einzugsgebiets von Neubiberg bis Aying und von Ottobrunn bis Höhenkirchen-Siegertsbrunn schult der Hospizkreis nicht nur das Pflegepersonal, dort betreut er auf deren Wunsch auch die Bewohner. Beim ersten Besuch wird geschaut, was ist nötig, was bringt Linderung und Hilfe.

Der Hospizkreis berät aber auch über mögliche Pflegedienstleistungen, Förderungen und weitere Möglichkeiten, die Situation der betroffenen Familien zu erleichtern. So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich ist der Trost, den sie in diesen Besuchen suchen. Die Hospizhelfer verrichten bei ihren Besuchen allerdings keine pflegerischen Tätigkeiten, sie hören zu, führen Gespräche oder halten, wenn das gewünscht wird, einfach für eine Weile die Hand eines Patienten. Die Dauer der Begleitung variiert stark, der Verlauf von schweren Erkrankungen lässt sich nicht planen. So werden manche Patienten nur ein- oder zweimal besucht, bei anderen dauert es über ein Jahr, bis der oftmals als erlösend empfundene Tod eintritt. Die Arbeit des Hospizkreises ist dabei überkonfessionell, jeder darf sich melden, an welchen Gott er auch glauben mag. Die Arbeit der Hospizhelfer ist dabei oft sehr intensiv, denn wenn es ans Sterben geht, fallen nicht selten alle Masken, wird kein Wert mehr gelegt auf oberflächliches Geplänkel. Die Besuche werden in Absprache mit den Angehörigen geplant, die in dieser Zeit ein wenig Ruhe finden oder wichtige Dinge erledigen können. Nicht nur für die Patienten haben dabei die Ehrenamtlichen ein offenes Ohr, sondern auch für Angehörigen, für die die Situation oftmals sehr belastend ist. Eine Supervision der Ehrenamtlichen sorgt dafür, dass sie selber psychisch stabil bleiben und lernen, mit Tod und Trauer umzugehen. Das Angebot ist für Betroffene kostenfrei. Unkosten entstehen aber durch Büromiete, die Gehälter der Koordinatoren und die Ausbildung der Helfer, die allesamt unbezahlt ihrer Aufgabe nachgehen. Unbelohnt bleiben sie aber beileibe nicht, denn einem Menschen die letzte Zeit lebenswerter zu gestalten, ihm ein wenig die Angst zu nehmen ist zwar unbezahlt, dafür bringt es aber viel Zufriedenheit und Dankbarkeit ins eigene Herz.
Der Hospizkreis tut aber noch viel mehr als das.

Er veranstaltet regelmäßig Info-Veranstaltungen zu so wichtigen Themen wie Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, geht aber auch an die Schulen vor Ort, um mit den Kindern, in altersgerechter Weise, das Thema Tod und Trauer zu thematisieren. Wer mitarbeiten oder spenden möchte, wer in diesem Themenfeld Hilfe braucht, kann sich direkt an den Hospizverein Ottobrunn e.V. wenden: Zu finden ist er in der Friedenstraße 21 in Ottobrunn, Tel. 089/66 55 76 70 oder per E-Mail info@hospizkreis-ottobrunn.de

hw

Quelle: Südost-Kurier, Artikel vom 24.05.2022